Lichen sclerosus - was ist das?

 

Lichen Sclerosus - weit verbreitet, oft verkannt, stark tabuisiert

 

Was ist Lichen Sclerosus? 

Lichen sclerosus (LS) ist eine nicht ansteckende, chronische Hautkrankheit. LS kommt vor allem im äusseren Intimbereich vor, relativ selten tritt LS auch extragenital auf. Auf dieser Webseite informieren wir über hauptsächlich über LS im Intimbereich, zu LS ausserhalb des Genitalbereichs finden Sie einige wenige Informationen ganz unten (= am Ende dieser Informationslasche).  

Am häufigsten betroffen von LS im Intimbereich sind erwachsene Frauen, Lichen sclerosus kann aber auch bei Mädchen, Männern und Jungs auftreten.

LS ist die häufigste nicht infektiöse Hauterkrankung der Vulva. Schätzungen gehen davon aus, dass jede 50. Frau betroffen ist. Vielfach wird die Diagnose erst bei Frauen nach den Wechseljahren gestellt, doch die Krankheit tritt häufig schon bei jungen Frauen auf. Auch Mädchen (etwa 1/900) und Männer / Jungs können betroffen sein.

Zu den häufigsten Symptomen von LS und LP gehören Jucken und/oder Brennen, Schmerzen in der Intimzone, Einreissen beim Sex, Beschwerden ähnlich wie Blaseninfekte und Hautveränderungen im Genitalbereich - sehen Sie nachfolgende Informationen sowie unsere mehrsprachigen Selbstuntersuchungsflyer.

Die Symptome und Beschwerden treten in Schüben auf und werden nicht selten mit Pilz, Herpes, Hauttrockenheit, Blaseninfekten oder Entzündungen verwechselt. Eine frühe Diagnose ist wichtig, um Spätfolgen wie Krebs und Operationen zu vermeiden.

Lichen sclerosus ist nicht heilbar, aber in den meisten Fällen gut behandelbar.

Lichen sclerosus leitet sich ab aus dem Griechischen lichen (= Flechte) und sklerose (= hart) ab. 

Lichen Planus und Vulvodynie / CPPS (= chronic pelvic pain syndrom) sind häufig mit LS vergesellschaftete Krankheiten, das heisst, sie können zusammen mit LS auftreten. 

Einige Differentialdiagnosen mit ähnlichen Symptomen stellen wir auf www.juckenundbrennen.ch vor


Weitere Informationen zu LS in Kürze:


Symptome

Zu den typischen Symptome gehören:  Jucken, Brennen, Einreissen beim Geschlechtsverkehr, Risschen, weissliche Stellen, Schmerzen ähnlich einer Blasenentzündung und Hautverklebungen an der Vulva oder Teilbereichen davon.

Frühanzeichen können sein:  Verkleben der Vorhaut - diese lässt sich nicht mehr oder nur schwer verschieben / bewegen), diffuse Blasenbeschwerden ohne bakteriellen Befund.

Die Beschwerden treten meistens in Schüben auf, oft über Jahre/Jahrzehnte. Häufig werden die Symptome  - auch seitens der Ärzteschaft - mit Pilzinfektionen, Herpes oder anderen Infekten verwechselt. Im Krankheitsverlauf bilden sich Narben und Hautveränderungen und Schrumpfungen. Die Vulva- / Penishaut erscheint pergamentartig weisslich.

Weitere Details:

  • Lichen sclerosus (LS) ist eine chronisch verlaufende entzündliche Hauterkrankung des äusseren Genitalbereichs.
  • LS gehört (höchstwahrscheinlich) zu den Autoimmunkrankheiten.
  • LS ist nicht ansteckend, hat nichts mit mangelnder Hygiene zu tun und ist KEINE Geschlechtskrankheit. 
  • Die Erkrankung verläuft typischerweise über viele Jahre (bei der Mehrheit der Betroffenen) in Schüben, wobei auch längere Phasen ohne Symptome auftreten können. 
  • Schubfördernd können sein: Druck auf die Haut, zu starke Reibung, Urinrückstände, Hitzestau/Nässe, psychologischer Stress, gewisse Nahrungsmittel, Biopsien, Traumata, Operationen im Intimbereich, Verletzungen/Einreissen u.a.
  • Körpereigene immunkompetente Zellen zerstören das elastische Bindegewebe der Unterhaut des äusseren Genitals und begleitend tritt eine Gefässentzündung auf. Dadurch wird die Haut gereizt und sehr empfindlich, es treten offene Stellen auf, aber auch Hyperkeratosen (eine Art Verschorfung).
  • Im weiteren Krankheitsverlauf können sich bei betroffenen Frauen die Vulvalippen zurückbilden, die Vorhaut kann die Klitoris begraben und der Scheideneingang enger werden. In einem sehr weit fortgeschrittenen Stadium (jahrzehntelange Nicht-Behandlung) und in Extremfällen kann es sein, dass die typischen Strukturen des weiblichen Genitals nicht mehr zu erkennen sind.
  • Ohne adäquate Behandlung tragen betroffene Frauen ein um etwa 4% erhöhtes Krebsrisiko, dieses kann durch konsequente Behandlung stark reduziert werden. 
  • Bei betroffenen Männern steht neben der Symptomatik bei langer Nichtbehandlung eine fortschreitende Vorhautverengung und ev. eine Harnröhrenverengung im Vordergrund.
  • Der Lichen sclerosus kann bei beiden Geschlechtern auch den Damm, den Harnröhrenausgang und die Anusregion sowie die Gesässfalte betreffen.
  • Bei beiden Geschlechtern beeinträchtigt die Krankheit oft auch das Sexualleben (Verengung / Einreissen Vaginaleingang/Vorhaut) und kann zu psychischen Belastungen/Herausforderungen führen. 
  • In etwa 15% der Fälle tritt der LS auch ausserhalb des Genitalbereichs auf, z.B. auf der normalen Haut, z.B in der Unterbrustfalte. Auch LS-bedingte Veränderungen der Mundschleimhaut wurden schon beschrieben.
  • Der LS kann mit anderen Autoimmunerkrankungen zusammen auftreten, z.B. mit Erkrankungen der Schilddrüse (Hashimoto), perniziöse Anaemie, Alopecia areata (Kreisrunder Haarausfall), Diabetes mellitus u.a.
  • Der LS kann auch parall oder zeitversetzt mit anderen chronischen Erkrankungen der Vulvahaut zusammen auftreten: Lichen planus / Vulvodynie
  • LS tritt gemäss einer vereinsinternen Umfrage in bis zu 50% familiär gehäuft auf, oft finden sich also innerhalb der gleichen Familie verschiedene Betroffene.
Wichtig zu wissen: Mit Lichen sclerosus kann man gut leben lernen. Bei den allermeisten Betroffenen schlägt die Standard-Therapie gut an und bei Beachtung einiger Vorsichtsmassnahmen im Alltag ist ein quasi normales und beschwerdefreies Leben wieder möglich. 
 

(Falls die Standard-Therapie nicht anschlägt: Wir informieren über mögliche Massnahmen und begleitende Alternativtherapien im Passwortbereich)


 

Lichen sclerosus im Intimbereich - weder neu noch selten

Lichen sclerosus wurde 1887, also bereits vor über 100 Jahren, erstmals in Medizinlehrbüchern beschrieben von Dr. François Henri Hallopeau (1842-1919). Die Krankheit wurde zeitweise auch "Kraurosis" oder "Weissfleckenkrankheit" oder "Lichen sclerosus et atrophicus" genannt. Diese Begriffe gelten heute als veraltet.

Der Begriff / die Bezeichnung "LSA" (= lichen sclerosus et atrophicus) gilt seit dem Jahr 2006 als veraltet gemäss der ISSVD (= Internationale Gesellschaft zur Erforschung der Vulvovaginalkrankheit). Gut und aktuell informierte Ärzte sprechen heutzutage von "Lichen sclerosus". Sprechen Sie Ihren Arzt darauf an, sollte er einen veralteten Namen für die Krankheit verwenden.
In Österreich und Frankreich wird der Zusatz «et atrophicus», oder LSA (anstatt nur LS), gemäss unserer Erfahrung teilweise noch gebraucht.
 
Im noch gültigen ICD-10-Code sind noch weitere etliche veraltete Begriffe vorhanden. Sie bleiben gültig, bis der neue ICD-11-Code in Kraft tritt. Darin wurden die Genitaldermatosen überarbeitet und die veralteten Begriffe entfernt. Die Änderungen sind beschlossene Sache, aber es dauert, bis sie veröffentlicht werden.
Von Lichen sclerosus betroffen sind vermutlich 2-4% der Frauen jeden Alters, mind. jede 50. Frau. Etwas weniger häufig (ca. 1/1000) sind auch Männer betroffen (Statistik unklar aufgrund der Beschneidung vieler Jungs im frühen Alter) und Kinder (1/900). Die Dunkelziffer der effektiv Betroffenen ist aufgrund des hohen Tabu- und Schamfaktors sehr gross. Ferner werden sehr viele Betroffene über lange Zeit nicht richtig diagnostiziert, die Krankheit wird unterschätzt und unterdiagnostiziert.
 
Lichen sclerosus zählt offiziell und statistisch nicht zu den seltenen Krankheiten, dafür kommt LS viel zu häufig vor.  
 
Aktuelle FACH-Literatur: 
  • Pharmaceutical Tribune, Prof. Dr. A. Günthert, 2019, Schon mal von LS gehört?
  • Leading Opinions Gynäkologie, Prof.Dr. Günthert / Verein LS, 2017, Lichen sclerosus  - weit verbreitet, oft verkannt, Unterschätzt und unterdiagnostiziert (Download PDF)
  • GYN - praktische Gynäkologie, Fachzeitschrift GYN, Artikel von Prof. Dr. Mendling, Artikel mit Fotos, Februar 2024 (PDF): Vulvabefunde - Beispiele aus der Praxis. Die Angst vor "Hautschäden durch Kortison" bei Lichen Sclerosus ist unbegründet, ja schädlich! 

  • FRAUENARZT, deutsche Fachzeitschrift für Gynäkologen, Artikel mit Fotos von Prof. Dr. Mendling, Dezember 2023: Lichen Sclerosus  (PDF)

  • Die Dermatologie, Fachzeitschrift, Heft Januar 2024: Anogenitaldermatosen, Leitlinien und Ausführungen, Artikel mit Fotos, Dr. G. Kirtschig (PDF)

 


17. Januar - Welt-LS-Tag

Wer hätte das gedacht - es gibt bereits einen WELT-LS-TAG !

Der 17. Januar wurde (in Bezug auf das Wirken von Dr. Hallopeau) als offizieller World-LS-Tag bestimmt.

Noch weiss das praktisch niemand, aber die stete Aufklärung wird dies hoffentlich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ändern.
 

Juni 2023:

Lichen sclerosus gehört nachweislich zu den Erkrankungen mit ungedecktem (Forschungs- und Versorgungs-) Bedarf trotz hoher Krankheitslast: 

Eine Reihe von Erkrankungen wird aufgrund mangelnder Kenntnisse nur unzureichend erkannt, diagnostiziert wie behandelt, obwohl sie eine große Belastung für Patient*innen und Gesellschaft darstellen. Das holländische NIVEL-Institut führte im Auftrag der Europäischen Kommission eine Sondierungsstudie zu diesen so genannten „hoch belastenden, unzureichend erforschten Krankheiten“ durch. Ziel der Studie war es, ebensolche Krankheiten in der EU zu identifizieren und den Forschungsbedarf zu konkretisieren. Vier Herangehensweisen wurden dabei (methodisch) verwendet. Die Studie ist u.a. auch vor dem Hintergrund der Überarbeitung der „Pharmaceutical Legislation“ und der Operationalisierung (Ein- und Ausgrenzung) von „Unmet Need“ von Bedeutung.

Lichen sclerosus zählt zu diesen ErkrankungenAIHTA - Editorial: Erkrankungen mit ungedecktem (Forschungs- und Versorgungs-) Bedarf trotz hoher Krankheitslast


Lichen sclerosus extragenital (ausserhalb des Genitalbereichs) 

 

Lichen sclerosus ausserhalb des Genitalbereichs ist relativ selten, die Krankheit zeigt sich dann z.B. am Rücken, in der Unterbrustfalte oder sonst am Körperstamm. Dermatologen sollten sich gut damit auskennen.  

Die Behandlung besteht aus Kortisonsalben oder Tacrolimus, Licht/Fototherapie (sehr zeitaufwändig) oder systemischer Therapie mit Steroiden oder mit Methothrexat. 

Der Artikel zu Lichen sclerosus (Prof. Dr. W. Mendling, deutsche Fachzeitschrift Frauenarzt, Dezember 2023) geht kurz auf die extragenitale Variante ein.

Weitere Informationen auf Anfrage beim Verein.